Neubau Haus der Astronmie, Max Planck Institut Heidelberg

Am Anfang stand die Vision des Stifters Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Klaus Tschira: „Das Haus der Astronomie soll in einer einzigartigen Umgebung Schülern, Lehrern und der allgemeinen Öffentlichkeit die Faszination der Astronomie vermitteln. Über die Begeisterung für die Astronomie lernen Kinder und Jugendliche physikalische und mathematische Grundlagen. Fortbildungen geben Lehrern neue Impulse zum Einsatz wissenschaftlicher Themen im Unterricht."

Der außergewöhnliche Neubau, der auf Wunsch des Bauherrn in Form einer Spiralgalaxie entwickelt wurde, fand seinen Platz neben dem Max-Planck-Institut für Astronomie MPIA und der Landessternwarte auf dem 550 m hohen Heidelberger Königstuhl. Beide Institutionen sind in den Betrieb des Gebäudes mit eingebunden. So können die Heidelberger Astronomen im Haus der Astronomie Ihre Öffentlichkeitsarbeit bündeln und auf direktem Weg den Wissensaustausch zwischen Wissenschaftlern vor Ort und interessierten Bürgern an zentraler Stelle realisieren. „Mit dem Haus der Astronomie soll eine Brücke geschlagen werden von der aktiven Forschung hinein in die Schulen", so Stifter Klaus Tschira.

Um die Form des Gebäudes zu entwickeln, experimentierten die Architekten zunächst mit einem selbst erstellten Computermodell einer Spiralgalaxie. Über die Bewegung und die Verknüpfung der Himmelskörper fanden sie Spuren, aus denen sie die architektonische Form abgeleitet haben.

Das nahezu stützenfreie Gebäude ruht lediglich auf acht Pfeilern, zwei Treppenhauskernen und einer Kuppel aus Stahlbetonfertigteilen. Die Geschossebenen sind um das Zentrum gedreht. Die Krümmung der Schweifarme der Galaxie wird zum Zentrum hin stetig stärker. Die gewundenen Spiralarme mit den Nutzebenen sind um ein halbes Geschoss versetzt und unterstützen zusätzlich die Gebäuderotation um den Kern. Querbezüge zwischen den Räumen der beiden Spiralarme lassen die Besucher und Nutzer die außergewöhnliche Gebäudeform frei erleben.Zentrum des Hauses der Astronomie bildet das Planetarium, ein multifunktionaler Hörsaal, der mit modernster, multimedialer Technik ausgestattet ist. Hier können neben der klassischen, digitalen Planetariumsnutzung auch Vorträge mit Bildern und 3D-Visualisierungen astronomischer Beobachtungen eindrucksvoll gezeigt werden. In den beiden Spiralarmen des Gebäudes befinden sich unter anderem speziell ausgestattete Praktikums- und Unterrichtsräume sowie Büroräume.

Die Fassade gliedert sich abwechselnd in Bänder aus Glas und Metall. Die Brüstungsbänder aus Metall sind durch ihre geometrische Form aus jeweils drei zueinander variierenden Kurven siebten Grades formgebend für das gesamte Gebäude. Keine der Kanten verläuft parallel zu einer anderen. Während die Höhe der verglasten Fassadenbänder zum Zentrum hin abnimmt, nimmt der Anteil der zweifach gekrümmten Metallfassade zu. Dadurch wird die Galaxie nicht als zweidimensionales Bild umgesetzt, sondern als räumliches Gebilde von Umlaufbahnen. Die komplette Metallfassade besteht dabei aus 392 unterschiedlichen bis zu 4,50 m langen und 1,50 m breiten Einzelteilen, die sphärisch gekrümmt und bis zu dreimal geknickt sind. Keines der Teile weist einen rechten Winkel auf. Die Fassadenelemente wurden komplett in Südtirol vorgefertigt und in Heidelberg innerhalb von nur drei Wochen montiert. Die Metallflächen wurden schmutzabweisend mit einer Nanolacktechnik beschichtet, um die Fassade besonders nachhaltig frei von Umwelteinflüssen zu halten.
Das nachhaltige Energiekonzept nutzt die Geothermie als emissionsfreie und klimaschonende Energiequelle. Zur Heizung und vor allen auch zur Kühlung des Gebäudes wurden 19 Erdsonden bis zu einer Tiefe von 170 m geführt. Darüber hinaus verfügt das Gebäude über eine kontrollierte Raumlüftung mit Wärmerückgewinnung von >80%, extensiv begrünten Dachflächen zur Wasserrückhaltung und Wiederverdunstung und einen außenliegenden Sonnenschutz mit Tageslichtlenkung, der die sommerlichen Wärmelasten reduziert.
Aufgrund seiner hocheffizienten Energiebilanz wurde das Gebäude 2013 auf der Baumesse in München mit einem deutschen und 2014 in Dublin mit einem europäischen Energy Efficiency Award ausgezeichnet.

Der Entwurf und die Realisierung des Gebäudes waren für alle Beteiligten eine große Herausforderung, denn mit zweidimensionalen Plänen ließ sich das Gebäude nicht mehr eindeutig beschreiben. Alle Planer arbeiteten deshalb in einem gemeinsamen, dreidimensionalen Datenraum mit maschinenlesbaren Schnittstellen. Statt einer vektororientierten CAD-software kam eine arithmetische Maschinenbausoftware zum Einsatz, die es zusätzlich erlaubte, alle Bauteile parametrisch miteinander zu verknüpfen. Mehrere der beteiligten Firmen nutzten bereits die Vorteile des Datenbestandes und produzierten ihre Bauteile direkt nach dem zur Verfügung gestellten Datenmodell.

Projektdaten / Details

Adresse
Königstuhl 17
Ort
69117 Heidelberg
Bauherr
KTS - Klaus Tschira Stiftung gGmbH
Funktion
Wissenschaft und Forschung / Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit, Büro
Status
BGF
3.171 m²
BRI
14.952 m³

Publikation

Werkbericht Nr. 3 - Haus der Astronomie Download

B+P Projektteam

Projektleitung: Axel Müller
Entwurf: Thomas Mrokon, Axel Müller
Planung: Thomas Mrokon, Christof Odrich, Jens Huwe, Tina Spinnler
Ausschreibung: Uwe Sachs
Bauleitung: Rainer Schneider, Andreas Bergman, Jakob Lukas

Leistung

Grundlagenermittlung, Vorplanung mit Kostenschätzung, Entwurfsplanung und Kostenberechnung, Genehmigungsplanung, Ausführungsplanung, Vorbereitung der Vergabe, Mitwirkung bei der Vergabe, Objektüberwachung, Objektbetreuung

Kooperationspartner

Projektsteuerung: Schumann Projektsteuerung, Darmstadt
Tragwerksplanung: Bläß-Ingenieure, Viernheim
Fassadenplanung: Werner Sobek Stuttgart GmbH & Co. KG, Stuttgart
HLS-Planung: PSP - Planungsbüro Schmitt & Partner GmbH, Mauer
Elektro-Planung: Planungsbüro Gantert und Braun GmbH, Oberhausen-Rheinhausen
Brandschutzplanung: BPK - Brandschutz Planung Klingsch GmbH, Frankfurt
Bauphysik: Stahl+Weiß, Büro für SonnenEnergie, Freiburg

Fotografie & Video

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