Neubau Mathematikon Universität Heidelberg
Zur Erweiterung des Universitätscampus „Am Neuenheimer Feld" entstand nördlich der Mönchhofstraße der Gebäudekomplex "Mathematikon". Entsprechend den Vorgaben des städtebaulichen Entwicklungskonzepts „Berliner Straße" von 2008 umfasst der Komplex rund 71.000m² Bruttogeschossfläche und ca. 300.000m³ umbauten Raum.
Das Gesamtprojekt umfasst mehrere Baukörper: Ein Universitätsgebäude im Süden und zwei Bürogebäude (mittleres und nördliches Gebäude) mit einem integrierten Geschäftszentrum im Erdgeschoss.
Der Universitätsbau ist ein Geschenk der Klaus Tschira Stiftung an das Land Baden-Württemberg, in dem die bisher auf mehrere Standorte verteilten Institute der Fachbereiche Mathematik und Informatik, sowie das interdisziplinäre Zentrum für wissenschaftliches Rechnen (IWR) ihr neues Zuhause fanden.
Mit dem Bauvorhaben entwickelte sich die Universität in Richtung Neuenheim und bildet nun eine Raumkante, die den urbanen Stadtraum der Berliner Straße räumlich fasst. Zugleich tritt die mittlere Zufahrt zum „Neuenheimer Feld" als „Tor zur Universität" städtebaulich in Erscheinung. Die Gebäudefuge zwischen den beiden Gebäudeteilen wurde als Platz mit hoher Aufenthaltsqualität ausgebildet. Wasserfontänen bilden hierbei einen akustischen und optischen Filter zur vielbefahrenen Berliner Straße. Auf dem Platz selbst befinden sich Kunstobjekte aus dem Themenkreis der Mathematik, sowie diverse gastronomische Angebote mit entsprechenden Sitz- und Aufenthaltsgelegenheiten.
Alle Fassadenflächen wurden mit zwei verschiedenen Kalksteinarten (Jura und Sellenberger Muschelkalk) in unterschiedlich geschliffenen Oberflächen belegt. Durch die zusätzliche Verwendung verschiedengroßer Fensterelemente, die zudem noch unregelmäßig verteilt wurden, konnte ein freundliches und lebendiges Fassadenspiel erreicht werden, das die Objektdimension optisch reduziert. Der Einsatz großer Glasfassadenflächen im Bereich des Erdgeschosses bietet Einblicke in die dahinterliegenden Nutzungen. Unattraktive Gebäuderückseiten konnten trotz der Andienungsproblematik des Geschäftszentrums vermieden werden. Die großzügigen Vorflächen unter den Platanen entlang der Berliner Straße, bilden einen städtischen Boulevard mit attraktiven Fuß- und Radwegen und ausreichend Fahrradabstellplätzen.
Der universitäre Gebäudeteil wird über ein großzügiges, dreigeschossiges Foyer erschlossen. Über den angegliederten Lichthof, der gut als Forum für verschiedene Veranstaltungen genutzt werden kann, besteht eine Durchlässigkeit und eine direkte Sichtbeziehung zu den Nachbargebäuden. Im Erdgeschoss befinden sich außerdem ein Hörsaal, drei große Seminarräume und eine Bibliothek mit ca. 100.000 Buchbänden. In der Südspange der Obergeschosse befinden sich neben dem Dekanat insgesamt 13 weitere Seminarräume. Allen Geschossen ist hier je ein Balkon zugeordnet, der zum einen die Möglichkeit bietet nach außen zu treten und zum anderen den Innenbereich mit Licht durchflutet. An die Südspange U-förmig angegliedert, befinden sich die verschiedenen Hochschulinstitute mit insgesamt ca. 250 Büros.
Die beiden weiteren Baukörper werden durch die durchgehende Marktnutzung im Erdgeschoss verbunden. Die im Gebäude integrierte Andienung der beiden Märkte befindet sich, zusammen mit der Tiefgaragenzufahrt, in verkehrsoptimierter Lage an der Westfassade. Durch die Ladenpassage im Norden entstanden ein fußläufiger Durchgang, und eine Bündelung der Einzelhandelsnutzungen, in guter Zuordnung zu den Fußwegebeziehungen und zum ÖPNV. Damit orientieren sich die Einzelhandelsnutzungen zum „Platz Nord", der dadurch als Nahversorgungsstandort bekräftigt wird.
In den Obergeschossen befinden sich überwiegend Büroflächen. Die für die vorgesehenen Nutzungen notwendigen Kfz-Stellplätze, wurden in einer zweigeschossigen Tiefgarage mit ca. 400 Parkplätzen hergestellt.
Beide Gebäudeteile wurden im Passivhausstandard errichtet und durch die DGNB (Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen) mit Gold, bzw. Platin ausgezeichnet.
Neben der Unterstützung und Förderung der mathematischen Forschung und Lehre, legte der Stifter Dr. h.c. Dr.-Ing. E.h. Klaus Tschira großen Wert darauf, durch Kunst und mathematische Strukturen in den neuen Gebäuden, das Interesse und die Begeisterung für die Mathematik in der Bevölkerung zu wecken.
Neben den bereits erwähnten Kunstobjekten auf dem Platz, die vom niederländischen Mathematikprofessor Verhoeff entworfen wurden, sind im Innenhof Portraits einer Auswahl von 8 Mathematik- und Informatikpreisträgern (Fields-Medaille, Turing-Award, Abel-Preis) auf Sichtbetonwandelementen dargestellt. Diese Abbildungen wurden mittels Strukturmatrizen in Ortbeton realisiert. Weiterhin wurden verschiedene mathematische Grafiken und Muster innerhalb der Geschosse genutzt, um diese mit Sichtfolierungen auf Glasflächen als Teil des Leitsystemkonzeptes einzusetzen. Ergänzend wurden auch verschiedene Themen eingearbeitet, die nicht auf den ersten Blick ersichtlich sind. So versteckt sich hinter der Lochungsanordnung der Fassadenlüftungsflügel die Binärcodedarstellung eines Programmes, welches die Primzahlen von 1-1000 errechnen kann. Außerdem wurde die Ausbildung der streifigen, zweifarbigen Pflasterbeläge und die Anordnung der Pflanzkübel in Anlehnung an einen Strich- bzw. QR-Code entwickelt. Im gesamten Gebäudekomplex begleiten den Besucher noch viele weitere kleine Umsetzungen dieses Themas, wie die interaktiven Touchscreen-Spiele in der Passage und mathematische Formeln auf den Warenbändern der Einkaufsmärkte oder auch mathematische Fragestellungen in der Tiefgarage und den öffentlichen WC's.
Projektdaten / Details
B+P Projektteam
Projektleitung: Sven Bachmann, Andreas Hammer
Planung: Martin Faber, Johannes Schacke, Michael Diercks, Jakob Lukas, Robert Jenner, Christopher Heinzerling, Jens Huwe, Jens Jeschke, Tina Spinnler
Ausschreibung: Dominik Molzahn, Rainer Schneider, Uwe Sachs
Bauleitung: Rainer Schneider, Andreas Bergmann, Gernot Cüppers, Rüdiger Grünwald, Marcel Fuckel
Leistung
Grundlagenermittlung, Vorplanung mit Kostenschätzung, Entwurfsplanung und Kostenberechnung, Genehmigungsplanung, Ausführungsplanung, Vorbereitung der Vergabe, Mitwirkung bei der Vergabe, Objektüberwachung, Objektbetreuung
Kooperationspartner
Projektsteuerung: Schumann Projektsteuerung, Darmstadt
Statik: Bläß-Ingenieure, Viernheim
HLS-Planung: Schmitt + Partner GmbH, Mauer
Elektro-Planung: Planungsbüro Gantert und Braun GmbH, Oberhausen-Rheinhausen
Leitsystem: Katrin Schacke - Konzeption & Gestaltung
Fotografie
Swen Carlin, Johannes Schacke